von Kurt Schrage

»Ich sehe, also beobachte, betrachte, denke ich.«

Auf diesem Satz aus Roland Barthes Theorie der Fotografie mit dem Titel »Die helle Kammer« basiert der künstlerischer Entwurf für das fotografische Zeichnen eines im gebrochenen Licht des Kirchenfensters latenten Abbildes.

Bei der Herangehensweise, das latente Abbild fotografisch sichtbar zu machen, nutzt Andreas Ren das Prinzip der »dunklen Kammer«. Der abgedunkelte Innerraum der Kirche diente ihm dabei als camera obscura. Durch das Kirchenfenster einfallende und vom Glas gebrochene Licht fällt auf eine Projektionsfläche im »abgedunkelten« Innenraum. Das auf der Projekti- onsfläche entstehende Bild entspricht dem Abbild, wenn die einfallenden Sonnenstrahlen eine exakte gedankliche Verbindungslinie zu dem Ort bilden, wo das latente Abbild vorhanden und später gezeigt wird. Der Einfallswinkel des Lichtes entspricht ca. den Koordinaten eines Sonnenstandes zwischen Oktober und November – in der Zeit zwischen 14 und 17 Uhr.

„Andreas Ren macht sichtbar, was bereits vorhanden, nur nicht sichtbar ist.“

Auf diese Weise verbindet das Lichtbild die »dunkle Kammer« des Kir- chenraums mit der »hellen Kammer« des Gemeindezentrums. Das Sehen, Beobachten, Betrachten und das Nachdenken über das Licht, das die Menschen in Religion und Weltanschauung, in der Kunst und im ethischen Handeln zu Ausdeutungen über das Wahre veranlaßt, darüber vermittelt das latente Abbild eine Ahnung, wie das im Kirchenfenster gerochene Licht aussehen könnte.

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